Residenztheater München / Marstall
2014
Der Stein
von Marius von Mayenburg
Premiere am 18.Dezember 2014
Regie: Sarantos Zervoulakos
Bühne: Thea Hoffmann-Axthelm
Kostüme: Christian Kiehl
Dramaturgie: Christina Hommel
Mit Hedi Kriegeskotte, Juliane Köhler, Katrin Röver, Nora Buzalka, Lukas Turtur
Pressestimmen
München - Premierenkritik: Marius von Mayenburgs "Der Stein" als ein perfekt gemachter Theaterabend im Münchner Marstall. Vom 19.12.2014
(...)Die Parteiabzeichen sind längst im Garten vergraben. Aus dem Radio trällern Siebzigerjahre-Hits wie "Dschingis Khan" oder Ostschlager wie Nina Hagens "Du hast den Farbfilm vergessen". Und manchmal wird ein Schubkarren voller staubiger Trümmer über die Bühne geschoben. Das ist der Müll der Geschichte, aus dem unversehens die Geister ermordeter Juden aufsteigen.(...)
(...)"Verachtet mir die Meister nicht" - so könnte nach einem Zitat aus Wagners "Meistersinger" das unausgesprochene Motto dieser Aufführung im Münchner Marstall lauten. Denn schon das Stück, Marius von Mayenburgs Arisierungs-Drama "Der Stein", ist ein meisterlich gebautes "Well-made play". Gegeben wird es von wunderbaren Schauspielern: Juliane Köhler, Nora Buzalka, Katrin Röver, Lukas Turtur und allen voran Hedi Kriegeskotte als alte Dame von Dürrenmatt'schen Dimensionen dürfen ganz altmeisterlich-realistisch agieren. Und dazu hat Thea Hoffmann-Axthelm auch noch ein meisterliches Bühnenbild entworfen: einen offenen Quader aus weißen Pfeilern, die Essenz einer schicken Bauhausvilla, die quasi als unser Haus Deutschland fungiert. Denn am Anfang sieht man in einem starken Bild, wie alle Personen mit gemeinsamen Kräften das Haus um seine eigene Achse drehen; dann stellen sie sich am Bühnenrand auf und summen mit geschlossenen Lippen das Deutschlandlied. Darf man das? (...)
(...)Ja, Sarantos Zervoulakos darf das. Er ist zwar ein Meister (im Inszenieren), aber nicht aus Deutschland, sondern aus Thessaloniki - wenngleich im Ruhrgebiet aufgewachsen. Jedenfalls hat er Mayenburgs Stück ganz werktreu eingerichtet, als farbigen historischen Bilderbogen, der 60 Jahre deutscher Geschichte von 1935 bis 1993 mit effektvollen Schlaglichtern ausleuchtet und neben der Nazi-Vergangenheit auch noch die Wiedervereinigung mit ins Spiel bringt, weil die fragliche Villa des Großvaters in Dresden steht. Ein bisschen tragisch und ein bisschen komisch ist dieser perfekt gemachte Theaterabend, ein bisschen erschreckend und ein bisschen poetisch - alles schön in homöopathischen Dosen, sodass eine unterhaltsame, spannende Geschichte mit ausreichend Tiefgang und Ergriffenheit aber ohne Risiken und Nebenwirkungen herauskommt.
Und eine historische Modenschau! Denn der Clou dieser würdevoll gedämpften Geschichtsrevue sind die detailgetreuen Kostüme: die prachtvollen Pelzmäntel, in denen Oberklasse-Damen 1935 auftraten, die Offiziersuniformen mit Hakenkreuzbinde, später die Kopftücher und Schürzen des Trümmerfrauen-Looks, und in den Siebzigern tragen gesetztere Damen Kroko-Taschen zum Leopardenkragen, während jüngere im Hippiekleid antanzen oder aber - Variante ost - in blauer FDJ-Bluse. (...)
(...)vergnügliche Vergangenheitsbewältigung, buchstäblich "für die ganze Familie". Heftiger Applaus.(...)
Aus "Nazi-Revue ohne Nebenwirkungen", von Alexander Altmann, merkur.de